1.700 Jahre freier Sonntag | 01.03.2021

"Denn der Sonntag ist für Menschen da."
SELK-Bischof begrüßt gemeinsames Wort der Kirchen

Frankfurt/Main, 1.3.2021 - selk- Anlässlich des Jubiläums "1.700 Jahre freier Sonntag" erinnern die christlichen Kirchen an den bleibenden Wert eines arbeitsfreien Sonntags und die Wichtigkeit seines Schutzes. Am 3. März 321 hatte der römische Kaiser Konstantin den Sonntag zum reichsweiten Feiertag erhoben. Gemeinsam erklären der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), Erzpriester Radu Constantin Miron, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Dr. Georg Bätzing, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm:

"Der Sonntag unterbricht den Alltag, gibt dem Leben Rhythmus, schafft individuelle Freiräume, verbindet Menschen und fördert das Gemeinwohl. Im Bewusstsein vieler Menschen ist der Sonntag daher als wichtiges und schützenswertes ,Kulturgut' tief verankert."

Wie sehr Menschen eine "Struktur der Zeit" bräuchten, hätten die Erfahrungen der Corona-Pandemie einmal mehr ins Bewusstsein gerufen, heißt es in dem gemeinsamen Wort weiter. Die sonntäglichen Besuche bei der Verwandtschaft oder Angehörigen im Pflegeheim hätten nicht stattfinden, die Fußballmannschaft der Tochter hätte nicht mehr spielen dürfen, Gottesdienstbesuche seien gar nicht oder nur unter strengen Auflagen möglich. "Der Sonntag gibt eigentlich Gelegenheit zur gemeinsam frei gestalteten Zeit. So gut wie jeder von uns muss sich aber in der Pandemie von Gewohntem und Geschätztem, mitunter sogar Notwendigem, verabschieden." Zugleich verschwimme mehr und mehr der wichtige Rhythmus zwischen Arbeits- und Freizeiten durch Homeoffice, mobiles Arbeiten oder asynchrone Arbeitszeiten. Digitale Transformation werde nicht nur das Arbeiten verändern, sondern auch den Sonntag, das Miteinander, die Begegnungen, das gemeinsame Feiern, "Leben - und womöglich uns selbst. Denn: Die Seele braucht die Unterbrechung des Alltags. Und der Sonntag ist so ein Tag zum Abschalten, im wörtlichen wie übertragenen Sinne."

Weiter erklären die Bischöfe: "1.700 Jahre Schutz des Sonntags. Inmitten der Pandemieerfahrungen unterbricht uns nun dieses Jubiläum, lässt uns innehalten, um den Wert des arbeitsfreien Sonntags zu würdigen: Der Sonntag ist in Artikel 140 unseres Grundgesetzes als Tag ,der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung' gesetzlich geschützt." Der zweite Aspekt sei auch ein Hinweis auf die religiösen Wurzeln des Sonntags: Für Christinnen und Christen habe der Sonntag seine herausragende Bedeutung als Tag der Auferstehung Jesu Christi. Der sonntägliche Gottesdienst stehe daher im Mittelpunkt des Lebens der Kirche. Die ersten staatlichen Maßnahmen zum Schutz dieses religiös motivierten Feiertags reichten weit zurück: "Vor 1.700 Jahren verfügte der römische Kaiser Konstantin I. den dies solis (= Tag der Sonne) zum reichsweiten Feiertag und stellte ihn unter besonderen Schutz. Dieser 3. März 321 gilt als der erste Moment staatlicher Sonntagsschutzgesetzgebung."

Auch andere Religionen, wie zum Beispiel der Islam und das Judentum, würden wöchentlich wiederkehrende Tage der Ruhe, Besinnung und Feier kennen und feiern. Die christliche Tradition eines gemeinsamen, regelmäßig wiederkehrenden Ruhetags entstamme dem Schabbat des Judentums, mit dem die Christenheit so zentrale Texte wie die Schöpfungsgeschichte und die Zehn Gebote gemeinsam habe. In einem Jahr, in dem ebenfalls 1.700 Jahre Judentum in Deutschland gefeiert werden dürfe, wolle das gemeinsame Wort daran erinnern, dass neben vielen anderen Werten und Traditionen auch der Tag ohne Arbeit ein Geschenk der jüdisch-christlichen Tradition an alle Menschen sei. Unter den christlichen Denominationen feiere beispielsweise die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten den Schabbat.

Den Tag ohne Arbeit könnten allerdings nicht alle in Anspruch nehmen, erklären die Bischöfe: "Zahlreiche Menschen arbeiten, um die Grundversorgung für alle Menschen aufrechtzuerhalten und unaufschiebbaren Bedürfnissen zu begegnen. So sind in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, im Nahverkehr, an Tankstellen, in der Strom- oder Wasserversorgung, im Nachrichtenwesen und vielen anderen Bereichen zahlreiche Menschen trotz des Sonntags beschäftigt. Auch in Gastronomie, Kultur- und Freizeiteinrichtungen arbeiten Menschen für den Sonntagsgenuss anderer." Diese Tätigkeiten seien keine Selbstverständlichkeiten und sollten auch nicht als solche betrachtet werden. Menschen, die sich trotz des Sonntags oder für den Sonntag betätigten, verdienten Wertschätzung und eine besondere Form der Vergütung oder des Dankes, wenn sie ihre Sonntagsruhe aufgeben würden, um sie anderen zu ermöglichen. Sonntagsarbeit sei allerdings keine reguläre Arbeit. Daher sollten Berufsgruppen, die sonntags arbeiten, eng umgrenzt werden, Ausnahmen nur zurückhaltend und auf das absolut Notwendigste beschränkt gewährt werden. "Der Sonntag ist kein gewöhnlicher Tag und darf es auch nicht werden. Ohne Arbeit kann der Mensch nicht leben, sie ist notwendig. Doch ist der Mensch nicht für die Arbeit da, sondern umgekehrt. Das betont auch Papst Franziskus: ,Der arbeitsfreie Sonntag - mit Ausnahme der notwendigen Dienstleistungen - besagt, dass die Priorität nicht im wirtschaftlichen, sondern im menschlichen Bereich liegt, in der Unentgeltlichkeit, nicht in kommerziellen, sondern in familiären, freundschaftlichen Beziehungen, für die Gläubigen in der Beziehung zu Gott und zur Gemeinschaft. Vielleicht ist der Augenblick gekommen, uns zu fragen, ob die Sonntagsarbeit eine wahre Freiheit ist."

Jeder und jedem komme die Aufgabe eines verantwortungsvollen Umgangs mit der Zeit zu. "Durch unser eigenes Tun und Lassen entscheiden wir Menschen darüber, welchen Wert und welche Qualität der Sonntag für uns hat." Wie der Staat aufgerufen sei, den arbeitsfreien Sonntag zu schützen und dessen Erosion zu verhindern, so seien "auch wir alle" aufgerufen, dafür zu sorgen, dass aufgrund des Strebens nach vermeintlicher Freiheit nicht die tatsächliche Freiheit aufgegeben werde, die in der segensreichen Errungenschaft eines gemeinsamen arbeitsfreien Sonntags liege. "Denn der Sonntag ist für den Menschen da. Und - wie es Albert Schweitzer formulierte: ,Wenn deine Seele keinen Sonntag hat, dann verdorrt sie'."

Der leitende Geistliche der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), Bischof Hans-Jörg Voigt D.D. (Hannover), begrüßte die Initiative. Voigt sagte zu diesem Jubiläum: "Der Schutz des Sonntages geschieht zuallererst von innen her, nämlich durch die gottesdienstliche Feier dessen, dem Konstantin I. den Feiertag gewidmet hat, Jesus Christus. Unser Gottesdienstbesuch ist die alles entscheidende Weise, den Sonntag zu schützen." Voigt meinte weiter, dass er in Zeiten der Coronavirus-Krise immer wieder gerade jüngere Menschen beobachte, die Gottesdienste ganz neu "ausprobieren", weil sie in einer Zeit, in der ein Tag unterschiedslos dem anderen gleiche, nach dem Unterschied suchten. Voigt sagte weiter: "Wenn Kaiser Konstantin I. gesagt hat, dass ,am Tag der Sonne alle Richter, ebenso das Volk in den Städten, sowie die Ausübung der Künste und Handwerke ruhen', dann hatte er damit natürlich die Feier der christlichen Gottesdienste am Auferstehungstag im Blick. Der Auferstandene, Jesus Christus, ist die Sonne, die mein Leben allein hell und sinnerfüllt machen kann."

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Ein Bericht von selk_news /
Redaktion: SELK-Gesamtkirche /
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