Angedacht!


„Alle aber miteinander bekleidet euch mit Demut; denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.“

1. Petrusbrief 5,6


Dr. Andrea GrünhagenLiebe Leserinnen und Leser,

können Sie mit den Begriffen Hochmut und Demut etwas anfangen? Für mich klingen sie ehrlich gesagt ein bisschen wie ein Buchtitel der Schriftstellerin Jane Austen. Sie schrieb „Stolz und Vorurteil“, „Sinn und Sinnlichkeit“ (eigentlich „Sense and Sensibility“ - Verstand und Gefühl) und da würde doch vielleicht auch „Hochmut und Demut“ in die Reihe passen. Dabei wäre dann entweder die weibliche Hauptfigur des Romans von keuscher Demut und müsste sich mit dem Hochmut eines möglichen Heiratskandidaten auseinandersetzen, der natürlich von seinem Hochmut geheilt würde, oder eben umgekehrt, jedenfalls gäbe es ein Happy End am Ende des Buches. Nun gut, Jane Austen starb 1817 und gefühlt könnten die Stichworte „Demut“ und „Hochmut“ irgendwie aus ihrer Zeit stammen.

Aber was machen wir nun damit? Ein Blick in die Vorschläge möglicher Synonyme bringt uns auch nicht wirklich weiter: Botmäßigkeit, Untertänigkeit, Folgsamkeit bzw. Großmannssucht, Übermut, Dummheit. Das klingt auch nach einem Roman aus dem 19. Jahrhundert. Die in kirchlichen Kreisen oft zu hörende Etymologie vom Mut zum Dienen und diverse griechische Herleitungen, die etwas mit Staub zu tun haben sollen, erspare ich uns an dieser Stelle. Mut hat in diesem Fall nämlich nichts mit Kühnheit zu tun, sondern meint eher so etwas wie „Gesinnung, Haltung, geistige Verfassung, Habitus“. Das kommt manchmal in diesem Sinn auch in Gesangbuchliedern vor. Es geht um eine innere Haltung, die sich entweder hoch oder niedrig einstuft.

Es geht also darum, was ich von mir selbst halte, weil das die Haltung bestimmt, die ich nach außen zeige. Dazu passt es doch ganz gut, dass man sich mit „Demut bekleiden“ soll, wie es in unserer Bibelstelle heißt. Es handelt sich also um eine Haltung, die man bewusst annimmt, wie ein Kleidungsstück, das man anzieht und das einen Botschaft über einen selbst vermittelt.

Vom Kontext her war in den Versen davor von den Ältesten der Gemeinde (gr. presbyteroi, davon kommt das Wort Priester), also den Gemeindeleitern die Rede; mit diesem Vers kommt dann die ganze Gemeinde in den Blick. Das ist fast schade, denn ansonsten hätte man ein bisschen auf den arroganten Klerikalismus eindreschen können und wäre fein rausgewesen aus der Sache.

Kann das denn sein, dass Gott Untertänigkeit und Folgsamkeit fordert als Voraussetzung für seine Gnade? Schaut man die beiden Beispiele an, die uns an diesem Sonntag in den Lesungen vorgestellt werden, versteht man vielleicht eher, was gemeint ist. Da ist zum einen König David. Den mit einer jugendlichen Romanheldin zu vergleichen, die in bezaubernde Hilflosigkeit schüchtern die Hände ringt, verbietet sich, glaube ich. Aber als Gott ihn durch den Propheten Nathan für seinen Ehebruch mit Bathseba zur Rechenschaft zieht, gesteht er seine Schuld und tut Buße dafür. Ähnlich der Zöllner im Gleichnis, das Jesus erzählt. Der sucht Gottes Nähe und weiß, dass er sie eigentlich nicht verdient hat. Demütig ist jemand, der weiß, dass er vor Gott nichts vorzuweisen hat, dem die eigene Schuld bewusst ist. Das kann natürlich auch nur ein Lippenbekenntnis sein, aber wo diese Haltung echt ist, da hat sie auch Auswirkungen auf das Verhältnis zu anderen, hier auf das Verhältnis zu Mitchristen.

Und was ist dann dem gegenüber Hochmut? Ebenfalls eine Haltung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass jemand zu hoch, zu gut von sich selbst denkt. Wo den Hochmütigen die Anklage des Wortes Gottes trifft, wie König David das „Du bist der Mann!“, fängt er an, sich selbst zu rechtfertigen, die Schuld zu leugnen oder Gottes Gebote umzuinterpretieren, denn es kann ja nicht sein, dass er einen Fehler gemacht haben könnte. Geistlicher Hochmut ist meistens so hochmütig, dass er sich selbst für demütig hält. Wie das eine Gemeinde vergiften kann, hat man wohl schon gewusst, als der 1.Petrusbrief geschrieben wurde. Christen, die wie der Pharisäer im Gleichnis gerne aufzählen, was sie richtig und andere falsch machen ¬ wer kennt sie nicht? Manchmal zweifle ich daran, ob Gott denen wirklich widersteht, die so handeln und reden. Vielleicht fragt Gott mich aber auch, warum ich ihnen nicht widerstehe und vor allem zuerst allen eigenen Regungen in dieser Richtung.

Wir halten also fest: wer demütig ist, erkennt seine Grenzen. Er denkt nicht zu gut von sich und er denkt vor allem nicht, dass er besser wäre als andere. Er muss nicht sich und die Welt retten, gerade darum rettet Gott ihn. Keine schlechte Perspektive für ein Leben!

Ihre Andrea Grünhagen

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