Angedacht!


„Aller Augen warten auf dich und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit.“
Psalm 145,15


Dr. Andrea GrünhagenLiebe Leserinnen und Leser,

können Sie einem kleinen Kind, dass Sie erwartungsvoll anschaut, leicht eine Bitte abschlagen? Wenn es sich dann noch um das geliebte eigene Kind oder Enkelkind handelt – eher nicht. Egal, ob das kleine Baby die Oma so lange anguckt, bis sie es aus der Babytrage nimmt und herumträgt, der Dreijährige noch eine Runde Karussell fahren will oder die Jugendlich der Ansicht ist, dass sie dringend etwas zum Anziehen braucht. Da kann man schlecht nein sagen, wenn der Blick gar so flehentlich ist.

Vielleicht klingt es im ersten Moment etwas abwegig, aber das Gleiche gilt auch für Haustiere. Natürlich wird Bello nicht vom Esstisch gefüttert und die süße Katze gehört nicht auf denselben für ein Nickerchen, aber wenn sie doch so süß betteln … Vielleicht geht es Gott mit seiner Schöpfung ja auch so? Die Psalmen wissen jedenfalls davon zu reden, dass die jungen Löwen von Gott ihre Speise fordern (Psalm 104,21) und er dem Vieh sein Futter gibt und die jungen Raben zu ihm schreien. (Psalm 147,9) Auch Jesus spricht davon, dass der himmlische Vater die Vögel ernährt. (Matthäus 6,26)

„Du tust deine Hand auf, und sättigst alles was lebt, mit Wohlgefallen. So geht der oben zitierte Vers weiter. Gott sättigt alles, was lebt. Das ist ein wichtiger Gedanke am Erntedankfest, denn er stellt den Menschen hinein in die Schöpfung. Ein Haustier weiß darum, dass es jemanden gibt, der es mit Futter versorgt. Die wilden Tiere wissen es auch, dass Gott sie mit Futter versorgt.

Der Mensch, also wir, könnte es auch wissen, aber wir bilden uns weitaus häufiger als Tiere ein, dass es unser Verdienst ist, der uns ernährt. Erntedankfest feiern bedeutet auch, sich die Abhängigkeit von Gott immer wieder neu bewusst zu machen. Und das gilt ja nicht nur in Bezug auf die Nahrung, auch wenn das im Vordergrund steht.

„Der Herr ist getreu in all seinen Worten und gnädig in allen seinen Werken.“ (Psalm 145,13) und „Der Herr ist gerecht in allen seinen Wegen und gnädig in allen seinen Werken.“ (Psalm 145,17) Wenn wir uns diese Aussagen merken, haben wir einen großen Erntedankfest-Segen aus Gottes Wort mitgenommen: Gott ist treu in allen seinen Worten, Gott ist gerecht in allen seinen Wegen, Gott ist gnädig in allen seinen Werken. Das heißt doch, dass Gott alles einlösen wird, was er uns versprochen hat, dass er uns nicht ungerecht behandelt, wenn er uns unseren Lebensweg führt und dass er in allem, was er tut, gnädig ist.

Ja, das ist nicht selten schwer zu sehen und fast nicht zu glauben. Aber kann es denn nicht sein, dass Gott seinen Kindern auch nichts abschlagen kann, wenn sie ihre Augen erwartungsvoll auf ihn richten? Er gibt sogar mit Wohlgefallen, es gefällt ihm, unsere Bitten zu erfüllen. Wir können hier nur Gottes Wort mehr vertrauen als unserer Erfahrung, wenn es uns Gott so vor Augen stellt. Und wir können ihn bitten, dass er es uns erkennen lässt, wenn wir es nicht sehen und nicht glauben können.

Ihre Andrea Grünhagen

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