Drittes Corona-Schreiben an die Gemeinden der SELK | 18.04.2020

Wann dürfen endlich wieder Gottesdienste gefeiert werden?
Drittes Corona-Schreiben an die Gemeinden der SELK

Hannover, 18.4.2020 - selk - Mit einem dritten gesamtkirchlichen Schreiben hat sich die mit der Entwicklung der Coronavirus-Krise befasste Arbeitsgruppe der Kirchenleitung und des Kollegiums der Superintendenten der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) an die Geistlichen, die Gemeindeglieder und Gäste der SELK gewandt.

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe, Kirchenrat Erik Braunreuther (Dresden), Propst Burkhard Kurz (Dortmund) und Kirchenrat Wonneberg (Berlin) unter Federführung des leitenden SELK-Geistlichen, Bischof Hans-Jörg Voigt D.D. (Hannover), gehen in ihrem Brief auf Belastungen und Spannungen in der Beurteilung der Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie ein. Die Arbeitsgruppe beobachte solche Spannungen an einigen Stellen auch in der SELK.

Als biblisches Leitwort wählten die Verfasser ein Psalmwort der Hanna, einer Frau aus der biblischen Geschichte des Alten Testaments: "Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN . und er erhöht den Armen aus der Asche."  (1. Samuel 2,1 und 8). In Hannas Freude über die Geburt ihres so lang ersehnten Kindes komme auch österliche Freude zum Ausdruck. Zugleich blieben auch Erinnerungen an die "Asche" vergangener Tage. Asche sei verbranntes Leben und damit das Gegenteil von Leben. Der Wechsel von Gefühlen und die darin zum Ausdruck kommende Spannung beschreibe auch die derzeitige Lage in der Kirche. Auf der einen Seite stehe die österliche Freude über die Auferstehung Jesu Christi, auf der anderen Seite lägen bei vielen Menschen die Nerven blank.

Die Verfasser gehen auf die Frage ein, wann in Deutschland wieder Gottesdienste gefeiert werden dürften. Man beobachte, dass die Ungeduld in den Kirchen und Gemeinden zunehme. Vorwürfe würden laut, Bischöfe und Kirchenleitungen hätten sich nicht laut genug gegen das gottesdienstliche Versammlungsverbot gewandt.

Das Schreiben versucht, die entstandene Lage grundsätzlich darzustellen. Am 10. April habe das Bundesverfassungsgericht in großer Klarheit den verfassungsrechtlichen Konflikt beschrieben, auch wenn es zunächst noch das gottesdienstliche Versammlungsverbot im Falle des zugrundeliegenden Antrags bestätigt habe. Die Verfassungsrichter stellten klar, dass "die gemeinsame Feier der Eucharistie nach katholischer Überzeugung ein zentraler Bestandteil des Glaubens ist, deren Fehlen nicht durch alternative Formen der Glaubensbetätigung wie die Übertragung von Gottesdiensten im Internet oder das individuelle Gebet kompensiert werden kann. Daher bedeutet das Verbot dieser Feier einen überaus schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 Grundgesetz", wie es in der Urteilsbegründung heißt. Was darin für die römisch-katholische Kirche gesagt sei, gelte in gleicher Weise für die lutherische Kirche. Dem stellte das Verfassungsgericht das "Grundrecht auf Leben beziehungsweise körperliche Unversehrtheit" gegenüber, gegenüber dem "das grundrechtlich geschützte Recht auf die gemeinsame Feier von Gottesdiensten derzeit zurücktreten" müsse. Eine solche Einschränkung müsse jedoch eindeutig befristet sein.

Zwei hohe Werte stünden einander gegenüber: das Grundrecht der Religionsfreiheit und damit das Recht und die Freiheit, Gottesdienste zu feiern, und das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Was das Verfassungsgericht tue, sei eine klassische Güterabwägung.

Eine Güterabwägung vorzunehmen, bedeute immer, dass es kein eindeutiges "Richtig" oder "Falsch" gebe. Aus Sicht der Kirchen sei zu fragen, wieso viele Geschäfte nun öffnen, aber Gottesdienste noch nicht stattfinden dürften. Ein Problem sei zum Beispiel im gottesdienstlichen Gesang zu sehen. Beim Singen steige die Ansteckungsgefahr erheblich.

Das Rundschreiben geht dann auf die Gespräche ein, die am 17. April in Berlin zwischen Vertretern des Bundesinnenministeriums und der Kirchen und Religionsgemeinschaften über die Lockerung der Regelungen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Krise stattfanden. Im Ergebnis dieser Gespräche würden die Kirchen nun konkrete Vorschläge zu Gottesdienstkonzepten mit Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregelungen unterbreiten. Ziel sei es, Gottesdienste unter diesen Bedingungen möglichst bald nach dem 30. April (Beratungstermin des Bundes-Kabinetts) wieder zuzulassen.

Die mit den aktuellen Entwicklungen der Coronavirus-Krise befasste SELK-Arbeitsgruppe habe deshalb bereits begonnen, solche Regelungen für die Wiederaufnahme von Gottesdiensten im Bereich der SELK zu erarbeiten. Für Anregungen hierzu sei sie dankbar.

Schließlich greift das Rundschreiben den derzeitigen Dienst von haupt- und nebenamtlichen Mitarbeitenden in den Gemeinden der SELK auf. Dankbar nehme man wahr, wie die geistliche und seelsorgliche Arbeit in den Gemeinden der SELK aufrechterhalten, ja sogar bei allen Einschränkungen intensiviert werde. Dabei sei die Umstellung von Arbeitsweisen eine große Herausforderung.

Ein SELK-Pfarrer habe erzählt, dass er von einem Gemeindeglied - durchaus freundlich gemeint - angesprochen worden sei, er habe doch jetzt endlich mal viel Zeit, weil die Gottesdienste ausfallen würden. Das Gegenteil sei jedoch zutreffend. So sei zwar die Vorbereitung der dezentralen Gottesdiensten im Grunde die gleiche, aber die Umsetzung sei oft ausgesprochen zeitintensiv. Hinzu komme, dass häufig das Gefühl für die Relevanz der Pfarramtsarbeit bei beschränkten Kontaktmöglichkeiten schwinde. Vermutlich gehe es sehr vielen Berufsgruppen im "Home-Office" ähnlich - erst recht, wenn auch Kinder zu betreuen seien. Den haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden gelte deshalb große Dankbarkeit.

Zudem empfinde man große Dankbarkeit für den wachsenden Zusammenhalt in der Krise. Dankbar stelle man ein überraschend hohes Maß an Kreativität in der SELK fest, kirchliche Themen bekämen in der Krise eine größere Aufmerksamkeit und die Gesprächsbereitschaft der Menschen im Land nehme zu.

Bischof Voigt erklärte gegenüber selk_news, er bitte auch persönlich um Geduld im Umgang mit der derzeitigen Situation. Wörtlich sagte er: "Auch wenn wir in der Spannung verschiedener Werte unterschiedliche Meinungen vertreten, dann lasst uns in dieser Zeit besonders auf liebevollen Umgang miteinander achten."

Das Schreiben findet sich unter: www.selk.de/download/Coronavirus-Krise_Brief-18-04-2020.pdf

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Ein Bericht von selk_news /
Redaktion: SELK-Gesamtkirche /
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