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SELK-Aktuell

Unser Bekenntnis – Artikel 8: Über die Wirklichkeit der Kirche


Das Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana) ist die grundlegende Bekenntnisschrift der im Konkordienbuch (1580) abgedruckten verbindlichen Bekenntnisse der Kirche der lutherischen Reformation. In loser Folge lesen Sie hier Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln von Dr. Gottfried Martens D.D., Pfarrer der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Berlin-Steglitz.

Bekenntnis

Obwohl die Kirche eigentlich die Versammlung der Heiligen und wahrhaft Glaubenden ist, so darf man doch, da in diesem Leben viele Heuchler und Schlechte daruntergemischt sind, die Sakramente gebrauchen, auch wenn sie von Schlechten verwaltet werden, nach dem Worte Christi: „Es sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer auf dem Stuhle Moses usw.“ Die Sakramente und das Wort sind wirksam wegen der Anordnung und des Befehls Christi, auch wenn sie durch Schlechte gespendet werden. Sie verurteilen die Donatisten und ihresgleichen, welche sagten, man dürfe in der Kirche den Dienst der Schlechten nicht hinnehmen, und meinten, der Dienst der Schlechten sei unnütz und wirkungslos.

Kurz bevor im Jahr 313 der christliche Glaube von Kaiser Konstantin zu einer erlaubten Religion erklärt wurde, hatte es unter seinem Vorgänger Diokletian noch einmal eine ganz heftige Christenverfolgung gegeben. Sie war so brutal gewesen, dass nicht wenige Christen, ja auch Priester, zeitweilig ihren Glauben widerrufen oder zumindest heilige Schriften oder heilige Geräte den Schergen des Kaisers ausgeliefert hatten. Als die Verfolgungszeit nun vorbei war, stellte sich der Kirche die dringende Frage, wie mit denen umzugehen sei, die während der Verfolgung vom Glauben abgefallen (lapsi) waren oder die heiligen Gegenstände herausgerückt hatten (traditores), nun aber in die Kirche zurückkehren wollten. Dabei ging es vor allem um diejenigen, die selbst ein kirchliches Amt versehen hatten und nun wieder nach ihrer Rückkehr dieses Amt in der Kirche versehen wollte. Der Streit entbrannte im Winter 312/313 in Karthago: Eine Gruppe erkannte den neugeweihten Bischof Caecilianus nicht an, weil unter denen, die ihn zum Bischof geweiht hatten, angeblich auch ein „traditor“ gewesen sei. Gegenspieler Caecilians war ein gewisser Donatus, der vierzig Jahre lang die später nach ihm benannten „Donatisten“ anführte, die sich von der Kirche getrennt hatten und behaupteten, ein Priester, der sich schwerer persönlicher Verfehlungen schuldig gemacht habe, könne die Sakramente nicht gültig spenden.

Bereits im 4. Jahrhundert wurde diese Irrlehre der Donatisten verworfen. Das Augsburger Bekenntnis stellt sich hier ganz bewusst in die kirchliche Tradition und macht zugleich deutlich, warum es falsch und gefährlich wäre, die Gültigkeit der Sakramente von der Würdigkeit des Spenders abhängig zu machen:

Der Glaube des Christen braucht etwas ganz Festes, an das er sich halten, an dem er hängen kann. Dieses Feste, das den Glauben schafft und an dem der Glaube hängen kann, sind die Sakramente und das Wort Gottes. Wenn nun die Gültigkeit und Wirksamkeit der Sakramente von der Würdigkeit dessen abhinge, der sie verwaltet, könnte der Glaube ja nie gewiss sein, ob er ein gültiges Sakrament empfängt. Wer weiß, was für ein würdiges oder unwürdiges Leben derjenige, der die Sakramente verwaltet, in Wirklichkeit führen mag! Nein, gültig und wirksam sind die Sakramente einzig und allein, wenn und weil sie gemäß der Anordnung und Stiftung Christi gespendet werden. Das reicht – und das muss reichen, um der Glaubensgewissheit der Empfangenden willen!

Auch wenn es die altkirchlichen Donatisten heute nicht mehr gibt, ist donatistisches Gedankengut auch heute noch weit verbreitet:

Dies geht schon damit los, dass es nicht wenige christliche Gruppen gibt, die versuchen, eine wirklich „reine Kirche“ zu schaffen, zu der nur diejenigen gehören, die auch tatsächlich „mit Ernst Christen sind“. Und so zieht man sich naserümpfend aus der größeren Gemeinschaft der Kirche zurück in kleine, fromme Zirkel, in der die Schar der wahrhaft Glaubenden sichtbar und auch leicht überschaubar ist und in der man mit den „Heuchlern“ in den großen Gemeinden nichts mehr zu schaffen hat. Es ist faszinierend, wie immer wieder sehr fromm erscheinende Gruppierungen diesem Irrtum verfallen, wo Jesus in seinem Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen (Matthäus 13,24-30) doch schon so eindringlich davor gewarnt hatte, vor dem Tag des Jüngsten Gerichts die Scheidung zwischen wahrhaft Glaubenden und Heuchlern erkennbar machen und eben damit eine reine Kirche schaffen zu wollen. Unmöglich ist der Vollzug dieser Scheidung, weil diese Scheidung doch letztlich durch jeden einzelnen Christen hindurchgeht, der, solange er lebt, immer Sünder und Gerechter zugleich ist.

Auch eine scheinbar reine Gemeinde kann die Sünde eben nicht draußen vor der Tür lassen – im Gegenteil: In einer Gemeinde, die sich besonders rein vorkommt, besteht die besondere Gefahr, dass Christen sich in ihr sehr viel mehr wie der Pharisäer statt wie der Zöllner in Jesu Gleichnis in Lukas 18,9-14 verhalten. Die Unmöglichkeit dieser Scheidung zwischen wahrhaft Glaubenden und Heuchlern beschränkt sich dabei, so betont es das Augsburger Bekenntnis ausdrücklich, auf „dieses Leben“. Christus wird diese Scheidung am Ende sehr wohl zu vollziehen vermögen. Die Zugehörigkeit zu einer Institution namens Kirche allein vermag am Ende in Gottes letztem Gericht nicht zu retten. Rettung verheißt allein der Glaube, die Gemeinschaft mit Christus, die allerdings wiederum durch die Sakramente und die Verkündigung des Evangeliums vermittelt wird. Entsprechend ist und bleibt die Kirche die Versammlung der Heiligen und wahrhaft Glaubenden, weil sie dort erkennbar wird, wo Christen sich um Christus und seine Gaben sammeln.

Der Fokus des 8. Artikels des Augsburger Bekenntnisses liegt nun jedoch nicht darauf, dass es in einer christlichen Gemeinde immer auch nicht wenige „Namenschristen“ gibt, die in Wirklichkeit gar nicht mehr an Jesus Christus glauben. Das ist allemal traurig genug. Sondern der Fokus liegt, wie schon bei den donatistischen Streitigkeiten in der Alten Kirche, auf den Spendern der Sakramente, auf den Pfarrern: Darf ich von einem Pfarrer das Sakrament empfangen, der mir ein zweifelhaftes moralisches Leben zu führen scheint oder der sich nach meiner Einschätzung immer wieder wenig christlich benimmt?

Ja, ich darf es, sagt das Augsburger Bekenntnis, und darf dabei ganz von der Würdigkeit des Spenders wegblicken. Auf die kommt es nicht an. Entscheidend ist einzig und allein, dass die Sakramente nach der Ordnung und Einsetzung Christi verwaltet werden, dass das Wort Gottes so gepredigt wird, wie es der Heiligen Schrift entspricht. Ein Pfarrer kann weder durch seine Ausstrahlung der Wirksamkeit der Gnadenmittel etwas hinzufügen, noch kann er die Wirksamkeit der Gnadenmittel durch sein anstößiges Verhalten mindern.

Das ist gleichermaßen ein Trost für den Pfarrer, der um seine eigenen Schwächen und Unzulänglichkeiten weiß: Was er austeilt, ist in seiner Gültigkeit und Wirksamkeit nicht von seiner eigenen Vollkommenheit abhängig. Und es ist ein Trost für die Gemeindeglieder: Sie dürfen gewiss sein, dass die Gnadenmittel bewirken, was sie sagen, weil allein die Anordnung und der Befehl Christi ihre Gültigkeit und Wirksamkeit gewährleisten. Von daher kann ich auch die Glieder unserer Gemeinde nur ermutigen, die Sakramente in unserer Gemeinde zu empfangen, auch wenn sie sich von dem, der sie austeilt, vielleicht eher abgestoßen fühlen.

Die Aussagen des 8. Artikels des Augsburger Bekenntnisses sind kein Freibrief für Pfarrer, dass sie sich persönlich verhalten können, wie sie wollen, da dies ja der Objektivität der Gabe des Sakraments keinen Abbruch tut. Dass auch Pfarrer Menschen ein gewaltiges Ärgernis sein und bereiten können, bedenkt Christus auch im Evangelium und spricht besonders den Fall an, dass jemand den „Kleinen“ ein Ärgernis bereitet: „für den wäre es besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist.“ (Matthäus 18,6) Der Pfarrer predigt natürlich auch mit seinem Lebenswandel – aber er predigt dabei natürlich zuerst und vor allem dadurch, dass er zeigt, wie er selbst immer wieder umkehrt und aus der Vergebung lebt.

Die Aussagen des 8. Artikels des Augsburger Bekenntnisses warnen umgekehrt jedoch sehr wohl davor, dass Gemeindeglieder ihren Glauben statt an die Zusage Gottes in den Gnadenmitteln an einen Pfarrer hängen, den sie vielleicht besonders mögen, und ihm zutrauen, er könne über die Wirksamkeit der Gnadenmittel hinaus Menschen zum Glauben zu bringen. Pfarrer vermögen Menschen ein Ärgernis bereiten und ihnen damit den Weg zu Christus verstellen; den Glauben in einem Menschen hervorzurufen vermögen sie dagegen nicht. Von daher ist es durchaus auch als problematisch anzusehen, wenn in den Ankündigungen evangelischer Gottesdienste regelmäßig der Name des Predigers extra erwähnt wird und die Leser dadurch nur allzu leicht dazu verführt werden, ihre Entscheidung zur Teilnahme am Gottesdienst von der Persönlichkeit des jeweiligen Predigers oder seinen Predigtkünsten abhängig zu machen.

Ist es nach dem, was das Augsburger Bekenntnis hier sagt, also grundsätzlich egal, in welche Kirche und zu welchem Pfarrer ich in den Gottesdienst gehe? Problematisch ist es schon, wenn ich zu einer Kirche gehöre, bei der ich meine Entscheidung zur Teilnahme am Gottesdienst deshalb von einem Pfarrer abhängig machen muss, weil ich befürchten muss, dass bei anderen Pfarrern derselben Kirche oder gar Gemeinde die Orientierung an der Anordnung und dem Befehl Christi nicht gewährleistet ist. Dies entspricht gewiss nicht der „Einmütigkeit“ der Evangeliumsverkündigung und Sakramentsverwaltung, von der der 7. Artikel des Augsburger Bekenntnisses zuvor als Kennzeichen der wahren Kirche zu berichten wusste.

Wo aber die Anordnung und der Befehl Christi in der Verkündigung des Evangeliums und in der Verwaltung der Sakramente verletzt werden, da sollen wir in der Tat fernbleiben, weil damit in der Tat Gültigkeit und Wirksamkeit der Sakramente in Frage gestellt werden und weil es dann entsprechend auch ein „anderes Evangelium“ (vgl. Galater 1,8+9) wäre, was uns verkündigt wird. Anordnung und Befehl Christi werden beispielsweise verletzt, wenn man bei einer Taufe die Worte der Taufformel durch selbstgebastelte Kreationen ersetzt oder an die Stelle des fließenden Wassers ein feuchter Finger des Pfarrers tritt. Anordnung und Befehl Christi werden auch dort verletzt, wo bei der Feier des Heiligen Mahles die Abendmahlselemente des ersten Abendmahls Christi durch andere ersetzt werden oder wo aus dem Mahl des Leibes und Blutes Christi ein nettes Erinnerungs- oder Gemeinschaftsmahl gemacht wird.

Anordnung (lateinisch: ordinatio) und Befehl Christi werden aber auch dort verletzt, wo man glaubt, ohne die ordinatio Christi, ohne die Ordination, die Feier des Heiligen Mahls leiten zu können.

In all diesen Fällen geht es nicht bloß um die persönliche Schuld dessen, der das Sakrament austeilt und von der wir als Empfangende wegschauen sollen und dürfen. Sondern es geht um das, was das Sakrament zum Sakrament macht: um Christi Befehl, dem wir zu folgen haben. Dabei entscheidet dann auch in der Tat nicht die Mehrheit über die Wahrheit. Da kann es dann sehr wohl sein, dass man angefeindet wird, nur weil man sich nicht am kirchlichen „Mainstream“ beteiligt, sondern um der Anordnung und des Befehls Christi willen eine Kirche verlassen muss, deren Verkündigung und Praxis der Sakramentsverwaltung man nicht länger mitzutragen vermag. Dabei geht es dann nicht um die „reine Kirche“, wohl aber um das reine Evangelium. Und eben daran darf es niemals einen Abstrich geben. Und wie gut, wenn diejenigen, die uns das Evangelium rein und unverfälscht verkündigen und die Sakramente nach der Stiftung Christi verwalten, dann auch mit ihrem Leben bezeugen, was sie verkündigen und austeilen! Genau so stellt sich auch der 8. Artikel des Augsburger Bekenntnisses Kirche vor, auch wenn er darum weiß, dass ihr Erscheinungsbild nicht immer so eindeutig ist. Doch Hauptsache, dies eine bleibt klar: Es geht nicht um den Pastor; es geht um Wort und Sakrament!


Weitere Artikel zum Thema "Unser Bekenntnis" finden Sie im Archiv. | © Foto: Andrea Otto

Ewigkeitssonntag


„Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.“ (Offenbarung 21,2)

Ewigkeitssonntag

Man kann den Ewigkeitssonntag als Hochzeit feiern oder als Beerdigung. In meiner Kindheit herrschte am letzten Sonntag des Kirchenjahres eindeutig die Beerdigungsstimmung vor. Schwarzgekleidete Menschen, das Verlesen der Namen der Verstorbenen und das Lied „O Ewigkeit, du Donnerwort …“. Dieses endet mit: „Ich weiß vor großer Traurigkeit nicht, wo ich mich hinwende!“ Ja, das allerdings wusste ich als Kind bei solchen Gottesdiensten auch nicht. Und dann behaupteten die Leute noch, das wäre der zweithöchste evangelische Feiertag, gleich nach Karfreitag.

Ja, irgendwie evangelisch war das wohl schon, jedenfalls seit König Friedrich Wilhelm III als höchster Bischof seiner preußischen Landeskirche dieser 1816 einen Totensonntag verordnet hat. In liturgischer Hinsicht sachgerecht war das nicht unbedingt, weshalb die Gottesdienstordnungen seit 1950 sich bemühen, diese Verknüpfung von einen Gedenktag der Verstorbenen und dem letzten Sonntag im Kirchenjahr wieder zu lösen.

Bis heute gibt es den Brauch, dass Angehörige von Verstorbenen am „Totensonntag“ in den Gottesdienst gehen. Das ist gut, denn wo sollen all die Menschen denn anders auch hin, die wirklich nicht wissen, an wen sie sich mit ihrer Trauer wenden können? Aber ich wünsche mir, dass sie nicht nur ihre Gefühle und Erfahrungen von Ende und Verlust zur Sprache bringen dürfen, sondern dass sie darüber hinausgeführt werden.

Der Ewigkeitssonntag beantwortet Trauer nämlich nicht mit noch mehr Trauer, er verstärkt nicht das Dunkel, sondern er verstärkt das Licht.

Nicht Schwarz ist die liturgische Farbe dieses Sonntags, sondern strahlendes Weiß. Wir bekennen Christus auf dem Thron seiner Herrlichkeit, der der Erste und der Letzte ist. Er ist Alpha und Omega, darum schmücken wir traditionell jede Osterkerze mit diesen griechischen Buchstaben, weil Christus in der Auferstehung den Tod besiegt, vernichtet, überwunden hat. Wenn Christen an den Tod denken, dann denken sie an einen geschlagenen Feind.

Nicht umsonst vergleichen die Lesungen des Ewigkeitssonntags das ewige Leben bei Gott mit einer Hochzeit. Da ist von Festmahl und Brautschmuck die Rede, von Festfreude in einer Stadt, die aus Gold, Perlen und Edelsteinen gemacht ist, von Chören ohne Zahl, von Braut und Bräutigam im Festsaal. Ewigkeitssonntag – wie das funkelt und glänzt, jubiliert und feiert!

Das ist das, was alle, die an Christus glauben, erwartet! Hochzeitsfreude, das ist die Stimmung des Ewigkeitssonntags. Unsere Toten sind nicht in ein bodenloses, schwarzes Nichts gefallen. Sie haben, so sie im Glauben gestorben sind, gehört, was Christus im Gleichnis sagt: „Wohl dir, du tüchtiger und treuer Knecht. Geh ein zu deines Herrn Freude.“ (Matthäus 25,21)

Wir feiern Ewigkeitssonntag, das sollen alle sehen und hören. Die Kirche kann den Menschen, die mit Angst und Trauer und Unsicherheit ringen, etwas sagen und zeigen, was ihnen niemand sonst sagen kann und was den entscheidenden Unterschied macht. Den kann man so beschreiben, wie das andere Lied von der Ewigkeit, das es leider nicht ins neue SELK-Gesangbuch geschafft hat, es tut:

O Ewigkeit, du Freudenwort,
das mich erquicket fort und fort,
o Anfang ohne Ende.
O Ewigkeit, Freud ohne Leid,
ich weiß vor Herzensfröhlichkeit,
gar nichts mehr vom Elende,
weil mir versüßt die Ewigkeit,
was mich betrübt in dieser Zeit. (ELKG 325,1)


Pastoralreferentin Dr. Andrea Grünhagen
Referentin für Theologie und Kirche

 

Bollerwagen & Sprudelwasser


Pfarrer Harald Karpe von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) ist vor wenigen Monaten in den Ruhestand gegangen und mit seiner Frau nach Radebeul bei Dresden gezogen. Schon immer hatte der rührige Seelsorger ein Herz für missionarische Einsätze. Daran hat sich auch im Ruhestand nichts geändert, wie sich im Interview mit selk.de zeigt.


Bollerwagen


SELK.de: Herr Pfarrer Karpe, man sieht sie neuerdings mit einem Bollerwagen in Dresdens Innenstadt. Was hat es damit auf sich?

Pfarrer Karpe: Mit meinem Ruhestand bin ich in unsere Dresdner Dreieinigkeits-Gemeinde als Gemeindeglied gekommen. Dort sprach mich ein Mann an und fragte mich, ob ich mit ihm in den Fußgängerzonen Bibeln verteilen könne. Er wollte das nicht allein machen und hatte noch keine Erfahrung damit.

SELK.de: Wie sind Sie auf die Idee mit der Bollerwagenstation gekommen?

Pfarrer Karpe: Nun, ich habe dem Mann gesagt, dass man dazu einen Aufhänger braucht. Einfach so hinstellen und Bibeln verteilen, das kann ich mir schlecht vorstellen. Pfarrer Matthias Tepper (SELK) hat als Aufhänger für seinen Missionsdienst in Plauen seine Kaffeekarre. Das erschien mir zu aufwendig. So bin ich auf die Idee mit dem Wasser und dem Bollerwagen gekommen. Einen kleinen Campingtisch haben wir auch noch mitgenommen. Vor der Frauenkirche steht ein Lutherdenkmal. In dessen Schatten haben wir uns platziert und haben kostenlos Wasser zum Trinken angeboten. Wenn wir dabei mit Leuten ins Gespräch gekommen sind, konnten wir ihnen auch gelegentlich ein Neues Testament schenken.

SELK.de: Brauchte das Projekt eine besondere Vorbereitung?

Pfarrer Karpe: Kaum. Ein Bollerwagen war schnell gefunden. Anne-Sophie Schmidt aus unserer Gemeinde hat ihn mit Schriftfolien gestaltet. Die Gideons haben ihre Genehmigung gegeben, dass wir ihre Ausgaben des Neuen Testaments verteilen können, Faltblätter unserer Gemeinde waren vorrätig und Wasserflaschen haben wir im Supermarkt gekauft. Eine wichtige Vorbereitung war uns das Gebet.

SELK.de: Wie ist die Resonanz auf das Angebot, kostenloses Wasser zu bekommen?

Pfarrer Karpe: Sehr unterschiedlich. Viele haben demonstrativ weggeschaut. Einige haben das Angebot abgelehnt und gesagt, dass niemand was verschenkt, da muss ein Haken dran sein. Viele haben gesagt, dass dies eine super Idee sei – vor allem bei der Hitze. Die meisten waren verwundert, dass jemand wirklich etwas verschenkt. Dabei bekommen wir das Wichtigste immer nur geschenkt: unser Leben, Liebe, das ewige Heil.

SELK.de: Berichten Sie uns von ersten bemerkenswerten Erlebnissen, bitte!

Pfarrer Karpe: Ein 80-Jähriger aus dem Ruhrpott hat auf seine Frau gewartet und kam zu uns. Er schimpfte sofort auf Kirche, aus der er bereits mit 18 ausgetreten sei. Es wurde ein längeres Gespräch, bei dem er immer nachdenklicher wurde. Ich konnte ihm dann zum Abschied noch ein Neues Testament schenken, das er dankend annahm. Als seine Frau kam und das sah, hat sie sich bei uns bedankt. Wir haben auch Touristen gesprochen, die in ihrer Gegend SELK-Gemeinde kannten (z. B. aus Kiel). Etliche Dresdner, die bei uns Wasser getrunken haben, kannten unsere Kirche am Großenhainer Platz. Wir konnten also Samen in der Nähe und der Ferne ausstreuen. Spannend war auch, wie viele Sprachen an unserem Stand gesprochen wurden.

SELK.de: Haben Sie schon Pläne für die kältere Jahreszeit?

Pfarrer Karpe: Ja, einige. In diesem Jahr stand die Arbeit unserer Gemeinde unter dem Thema „Gottesdienst“. Nächstes Jahr habe wir den Schwerpunkt „Mission“. Ich habe schon beim Singchorleiter angefragt, ob sich einige Sangeskräftige trauen würden, in der Straßen- oder S-Bahn bei einem Flashmob mitzumachen. Also spontan einen Choral zu singen. Ich würde danach einen Psalm lesen (z. B. Psalm 23 vom guten Hirten) – und fertig. 3-4 Haltestellen später einen anderen Choral und ein anderer Psalm. Das ist kein großer Aufwand, Faltblätter unserer Gemeinde und Neue Testamente haben wir – es braucht nur ein wenig Mut. Ich denke, dass es genügend Ideen gibt. Je mehr mitdenken, umso mehr Ideen kommen. Dann muss man nur ausprobieren, was geht und wozu wir den Mut haben.

SELK.de: Vielen Dank und herzliche Segenswünsche für Ihre weiteren Aktionen und Einsätze!

 

Unser Bekenntnis – Artikel 7: Über die Kirche


Das Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana) ist die grundlegende Bekenntnisschrift der im Konkordienbuch (1580) abgedruckten verbindlichen Bekenntnisse der Kirche der lutherischen Reformation. In loser Folge lesen Sie hier Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln von Dr. Gottfried Martens D.D., Pfarrer der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Berlin-Steglitz.

Bekenntnis

Es wird auch gelehrt, dass allezeit die eine, heilige, christliche Kirche sein und bleiben muss. Sie ist die Versammlung aller Gläubigen, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente dem Evangelium gemäß gereicht werden. Denn das genügt zur wahren Einheit der christlichen Kirche, dass das Evangelium einmütig im rechten Verständnis verkündigt und die Sakramente dem Wort Gottes gemäß gereicht werden. Für die wahre Einheit der christlichen Kirche ist es daher nicht nötig, überall die gleichen, von den Menschen eingesetzten kirchlichen Ordnungen einzuhalten – wie Paulus an die Epheser schreibt: „Ein Leib und ein Geist, wir ihr auch durch eure Berufung zu einer Hoffnung berufen seid, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (Epheserbrief, Kapitel 4, Verse 4 und 5).

Am 29. Juli 1928 predigte der gerade 22jährige Vikar Dietrich Bonhoeffer in der evangelischen Auslandsgemeinde von Barcelona über 1. Korinther 12: „Es gibt ein Wort, das bei dem Katholiken, der es hört, alle Gefühle der Liebe und der Seligkeit entzündet, das in ihm alle Tiefen des religiösen Empfindens von Schauer und Schrecken des Gerichtes bis zur Süßigkeit der Gottesnähe aufwühlt, das ihm aber ganz gewiss Heimatgefühle wachruft, Gefühle wie sie nur ein Kind der Mutter gegenüber in Dankbarkeit, Ehrfurcht und hingegebener Liebe empfindet; Gefühle, wie sie einen überkommen, wenn man nach langer Zeit einmal wieder sein Elternhaus, seine Kinderheimat betritt. Und es gibt ein Wort, das bei den Evangelischen den Klang von etwas unendlich Banalem hat, etwas mehr oder weniger Gleichgültigem und Überflüssigem, das einem das Herz nicht höherschlagen lässt, mit dem sich so oft Gefühle der Langeweile verbinden, das aber zum mindesten unseren religiösen Gefühlen keine Flügel verleiht. Und doch ist unser Schicksal besiegelt, wenn wir nicht diesem Wort einen neuen oder vielmehr den uralten Sinn wieder abzugewinnen vermögen. Weh uns, wenn uns dies Wort – das Wort von der Kirche – nicht in Bälde wieder wichtig, ja, ein Anliegen unseres Lebens wird. Ja, ‚Kirche’ heißt dies Wort, dessen Sinn wir vergessen haben und von dessen Herrlichkeit und Größe wir heute etwas schauen wollen.“

Um nicht weniger geht es auch heute, wenn wir als lutherische Christen auf der Basis des 7. Artikels des Augsburger Bekenntnisses danach fragen, was denn die Kirche sei und was sie für uns und unseren Glauben bedeutet: Wenn wir von Kirche sprechen, dann haben wir auf der einen Seite ein Selbstverständnis von Kirche vor Augen, wie es in der römisch-katholischen Kirche vertreten wird, wonach Kirche im Vollsinn eigentlich nur in der Gemeinschaft mit dem Papst als dem Oberhaupt der Kirche vorhanden ist. Auf der anderen Seite sind wir konfrontiert mit dem protestantischen Missverständnis von Kirche, wonach Kirche sich bildet „durch das Zusammentreten der einzelnen Wiedergeborenen zu einem geordneten Aufeinanderwirken und Miteinanderwirken“, wie es der Kirchenvater des modernen Protestantismus, Friedrich Schleiermacher, so treffend formuliert hat. Kirche geht ihm zufolge auf die Initiative der einzelnen Gläubigen zurück; sie muss sich immer wieder erst hier und da „bilden“ und gründet sich letztlich auf die Gläubigkeit ihrer einzelnen Mitglieder. Kein Wunder, dass Kirche auf diesem Hintergrund als etwas mehr oder weniger Gleichgültiges empfunden wird und sie nur hier und da einmal gebraucht wird, wenn man ein „Bedürfnis“ nach ihr verspürt!

Dagegen formuliert der 7. Artikel des Augsburger Bekenntnisses gleich zu Beginn ganz klar und eindeutig: Kirche „bildet“ sich nicht erst hier und da; sondern die Kirche geht immer schon dem Glauben und dem einzelnen Glaubenden voraus. Sie ist ihrem Wesen nach „katholisch“, das heißt: alle Zeiten und den gesamten Erdkreis umfassend. Eine Kirche, die in diesem Sinne nicht „katholisch“ ist, sondern sich erst Jahrhunderte oder gar erst 1.500 Jahre nach dem ersten Pfingstfest gebildet hat, ist ganz gewiss nicht Kirche Jesu Christi, sondern eine Sekte. Melanchthon macht dagegen im 7. Artikel des Augsburger Bekenntnisses ganz deutlich: Wir sind keine neue Kirche, und wir gründen keine neue Kirche. Sondern was wir lehren, ist Lehre der einen, heiligen, christlichen Kirche aller Zeiten. Wir klinken uns nicht aus der Tradition der Kirche aus, sondern stehen ganz bewusst in ihrer Einheit, auch und gerade da, wo wir Missstände in ihr kritisieren. Und zugleich wissen wir: Die Zukunft der Kirche hängt nicht an uns und unseren Bemühungen; sie lebt von der Verheißung des Herrn, dass die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden. Mit den Worten Martin Luthers: „Wir sind es doch nicht, die da könnten die Kirche erhalten, unsere Vorfahren sind es auch nicht gewesen, unsere Nachkommen werden es auch nicht sein, sondern der ist’s gewesen, ist’s noch und wird es sein, der da spricht: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Doch wo und wie kann man nun diese Kirche erkennen, die unserem Glauben immer schon vorausgeht und die „die Mutter“ ist, „die einen jeglichen Christen zeugt und trägt“, wie es Martin Luther im Großen Katechismus formuliert? Das Augsburger Bekenntnis beantwortet diese Frage weder mit dem Hinweis auf eine kirchliche Hierarchie noch mit dem Hinweis auf die Gläubigkeit derer, die glauben, sie könnten sich zu einer Kirche zusammenschließen. Sondern es verweist ganz konsequent auf den Gottesdienst als den Ort, wo die eine heilige katholische Kirche erkennbar und sichtbar wird: Kirche ist ihrem Wesen nach „Versammlung“; sie ist geschart um Wort und Sakrament. Nicht die Gläubigen versammeln „sich“, sondern Christus versammelt seine Herde (dies Wort steckt im lateinischen Wort für „Versammlung“), um sie mit seinen Gaben zu beschenken. Das Augsburger Bekenntnis entfaltet also, mit einem Fachausdruck formuliert, eine sogenannte „eucharistische Ekklesiologie“, eine Lehre von der Kirche, die ganz von der gemeinsamen Feier des Heiligen Mahles in der Gemeinde vor Ort ausgeht – ganz ähnlich übrigens, wie dies heutzutage auch in der orthodoxen Theologie beschrieben wird. Statt „Versammlung der Gläubigen“ formuliert der lateinische Text des Augsburger Bekenntnisses „Versammlung der Heiligen“ und macht damit deutlich, dass nicht die Kirche durch den Glauben ihrer Mitglieder erschaffen wird, sondern die Gottesdienstteilnehmer durch Wort und Sakrament „geheiligt“ werden, in die Gemeinschaft mit Christus eingebunden werden und eben dadurch glauben.

Weil Christus die Gaben seines Heils durch Menschen austeilen lässt, geht er damit zugleich das Risiko ein, dass eben diese Menschen seine Gaben verfälschen und verdunkeln. Wo dies geschieht, da wird die eine, heilige, christliche Kirche nicht mehr erkennbar, da ist sie eben dort nicht mehr oder zumindest nicht mehr eindeutig zu finden. Die Kirche Jesu Christi ist dort, wo das Evangelium „rein gepredigt“ und die Sakramente „dem Evangelium gemäß“, also der Stiftung Christi gemäß gereicht werden, betont der 7. Artikel des Augsburger Bekenntnisses; sie ist nicht unbedingt dort, wo einfach „irgendetwas“ gepredigt wird und wo die Sakramente „irgendwie“ gefeiert werden. Von daher kann es geschehen, dass sich eine Institution Kirche nennt, ohne es in Wirklichkeit noch zu sein. Dort, wo nicht Christus, sein Sterben und Auferstehen uns zugut, verkündigt wird, dort, wo Menschen nicht mit dem Zuspruch der Vergebung der Sünden getröstet werden, sondern stattdessen nur darüber belehrt werden, was sie als Christen zu tun haben – vielleicht gar, welche politischen Auffassungen sie zu vertreten haben, dort ist nicht die Versammlung derer, bei denen das Evangelium rein gepredigt wird, sprich: dort ist nicht die Kirche, von der das Augsburger Bekenntnis hier spricht. Dort, wo aus dem Gnadengeschenk der Taufe ein Bekenntnisakt des Menschen gemacht wird, wo aus der Speise des heiligen Leibes und Blutes Christi ein Mahl der mitmenschlichen Gemeinschaft gemacht wird, wo die Vergebung der Sünden nicht mehr vollmächtig zugesprochen wird, sondern durch Formen menschlicher Seelenmassage ersetzt wird, dort ist nicht die Versammlung derer, bei denen die Sakramente dem Evangelium gemäß gereicht werden. Damit soll nicht denen, die in ihrer konkreten Gemeinde von solchen Missständen betroffen sind, grundsätzlich der Glaube an Christus abgesprochen werden. Martin Luther hat gerade mit Verweis darauf, dass es die eine, heilige, christliche Kirche zu allen Zeiten gegeben hat und gibt, betont, dass auch in den dunkelsten Zeiten der Verfälschung des Evangeliums in der Kirche Christus dennoch immer wieder Wege gefunden hat, Menschen mit seinem Wort und Sakrament zu erreichen und sie dadurch selig zu machen.

Doch als Christen, die in Gottes Wort unterrichtet sind, haben wir in der Tat die Aufgabe, darauf zu achten, dass wir uns zu einer Kirche und Gemeinde halten, in der tatsächlich das Evangelium rein gepredigt wird und die Sakramente nach der Einsetzung Christi gereicht werden. Maßstab meiner Zugehörigkeit zu einer Kirche darf nicht die äußere Größe einer Kirche sein, auch nicht die Gewohnheit, dass ich doch immer schon zu einer bestimmten Kirche gehört habe. Sondern es darf immer wieder nur um diese eine Frage gehen: Wird hier das Evangelium unverfälscht gepredigt, werden hier die Sakramente so gereicht, wie dies der Stiftung Christi entspricht? Und da kann es sehr wohl sein, dass sich Christen genötigt sehen, „ihre“ Kirche zu verlassen, eben um in der Einheit der einen, heiligen, katholischen Kirche zu bleiben und diese Einheit nicht preiszugeben.

Die Existenz verschiedener „Kirchen“ ist keine Frage der Folklore, sondern ein Skandal, der dem Wesen der Kirche Jesu Christi, eine zu sein, ganz und gar widerspricht. Und doch lässt sich dieser Skandal nicht dadurch beseitigen, dass man Kirchen, die Unterschiedliches lehren und praktizieren, organisatorisch einfach zusammenschließt zu einer Union. Sondern wahre Einheit der Kirche ist nur da vorhanden, wo Einmütigkeit in der Verkündigung des Evangeliums und in der Lehre und Verwaltung der Sakramente besteht. Diese Einheit kann nicht von Menschen geschaffen, sondern immer wieder nur erbeten und geschenkt werden – und soll dann auch dankbar wahrgenommen und anerkannt werden, wo sie besteht.

Die Einheit der Kirche kann nicht durch kirchliche Ordnungen gesichert werden, wenn ihre innere Einheit nicht besteht oder längst zerbrochen ist, so macht es das Augsburger Bekenntnis hier abschließend deutlich. Umgekehrt ist die wahre Einheit der Kirche so stark, dass sie auch unterschiedliche kirchliche Ordnungen ertragen kann und nicht auf Einheitlichkeit in allen Ordnungsfragen drängen muss. Melanchthon musste damals verteidigen, weshalb die Nichtbefolgung bestimmter kirchlicher Ordnungen und Traditionen nicht bedeutet, dass man sich damit aus der Einheit der Kirche Christi ausschließt. Dies darf für uns heute aber kein Argument sein, der „Häresie der Formlosigkeit“ zu verfallen, die der Schriftsteller Martin Mosebach mit Recht in der Kirche beobachtet und beklagt hat. Gerade wenn wir um die Fortdauer der einen, heiligen, katholischen Kirche durch alle Zeiten hindurch wissen, tun wir gut daran, diese Fortdauer auch in der Art und Weise deutlich werden zu lassen, wie wir unsere Gottesdienste feiern: Nicht wir schaffen die Kirche durch unser „Zusammentreten“, durch unsere Gestaltung von Gottesdiensten. Sondern wir leben als Christen von dem, was uns schon vorgegeben ist, wir leben von der Kirche, die schon vor uns da war und in der allein wir bekommen, was wir brauchen, um selig zu werden: Gottes Geist, Gottes Vergebung durch Gottes Wort und Sakrament. Doch jede Form wäre hohl, wenn sie nicht mit dem Inhalt dessen gefüllt wäre, was allein Kirche als Kirche erkennbar werden lässt: mit der unverfälschten Verkündigung des Evangeliums und der rechten Verwaltung der Sakramente.


Foto: St. Thomas-Kirche der SELK in Widdershausen

Freizeit in der Toskana


Vom 22. Juli bis zum 3. August fuhren 34 Jugendliche aus verschiedenen Kirchenbezirken der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) im Alter von 13 bis18 Jahren zusammen mit einem sechsköpfigen Team in die Toskana auf Freizeit. Die Freizeit wurde geleitet von Diakonin Jaira Hoffmann (Gießen) und Pfarrer Daniel Schröder (Steeden).
Im Team mit dabei: Ernestine Peter (Köln, Heilerziehungspflegerin und Studentin Sozialer Arbeit), Lars Bartholomäus (Bielefeld, in der Jugendarbeit aktiv seit 2011), Jonas Werner (Göttingen, ist seit seiner Konfirmation im JugendMitarbeiterGremium aktiv und war 2,5 Jahre Student der Theologie) und Leonie Otto (Kassel, hat gerade ihren Bachelor in „Religionspädagogik und Soziale Arbeit“ beendet). Die Freizeit lief über freizeitfieber, das Jugendfreizeitnetzwerk im Jugendwerk der SELK, und wurde vom Kirchenbezirk Hessen-Süd veranstaltet. Für selk.de beantwortet Diakonin Jaira Hoffmann Fragen zur Freizeit und zur Freizeitarbeit überhaupt.


Toskana

SELK.de: 13 Tage Jugendfreizeit in der Toskana liegen hinter Ihnen. Wie lautet Ihr Fazit?

Jaira Hoffmann: Erfüllt, müde, dankbar. Es war eine gesegnete Zeit!

SELK.de: Was waren die Highlights der Freizeit?

Jaira Hoffmann: Das ist schwer zu beantworten. An Aktionen waren das sicherlich der Tagesausflug nach Rom, unser Krimidinner, das Übernachten am Strand oder der Wellness-Abend. Aber auch unser Camp im Pinienwald, fast direkt am Mittelmeer, war ein Highlight!
Mich bewegt jedes Jahr wieder, dass die Teilnehmenden als Gruppe zusammenfinden. Ich bin dankbar, dass das auch in diesem Jahr wieder funktioniert hat und ist damit auch ein persönliches Freizeithighlight für mich. Deutlich wird mir das jedes Mal am Unterschied von Freizeitbeginn und -ende.

SELK.de: Dazu wüssten wir gerne mehr!

Jaira Hoffmann: Es ist erstaunlich: Am Abfahrtsort sammeln wir Jugendliche ein, die sich untereinander nicht unbedingt kennen und die auch für uns bis dahin nur Namen auf der Liste sind. Einige kommen als Gruppe, andere stehen vereinzelt am Rand. Und dann ist man so viele Tage intensiv miteinander unterwegs und lernt sich kennen: Beim Sonnen am Strand, bei abendlichen Gesprächen in der Hängematte, bei Kleingruppenarbeiten. Und wenn man dann nach knapp zwei Wochen wieder in Frankfurt (unserem Abfahrort) ankommt, ist die Stimmung ganz anders: Die Jugendlichen lachen miteinander, teilen Erinnerungen und Insider.

SELK.de: Und das Team?

TeamJaira Hoffmann: In unserer Feedback-Abfrage konnte man verschiedene Dinge kommentieren. Ein Punkt, der immer wieder genannt wurde, war das Team: „Super tolles Team“, „Das beste Team, das man sich vorstellen kann“, „Teamgeist ist alles“. Und dem kann ich mich von Herzen anschließen: Wie auch in den letzten Jahren hatte ich das Glück, wieder viele jugendarbeitserfahrene, professionelle Leute fürs Freizeitteam zu gewinnen. Alle haben auf ihre Weise eigene Talente und Ideen eingebracht und damit den Rahmen der Freizeit ganz wesentlich bestimmt. Dass wir auf so schöne Tage zurückblicken können, liegt daran, dass diese Leute sich so engagiert haben!

SELK.de: Gab es besondere Herausforderungen zu bestehen?

Jaira Hoffmann: Vor großen Unfällen sind wir bewahrt worden. Herausfordernd waren ein paar der Rahmenbedingungen, über die man aber eigentlich auch nicht meckern möchte. 😉 Zu nennen ist beispielsweise die Hitze oder das stetige Zirpen der Zikaden, gegen das man immer anreden musste.

SELK.de: Die Freizeit hatte das Thema „Gerecht ist anders“. Wie wurde es umgesetzt?

Jaira Hoffmann: Jeder Tag wurde mit Andachten gerahmt. Dazu haben wir uns in drei Workshopphasen sowie dem Abschlussgottesdienst mit dem Thema beschäftigt.
Das Thema haben Daniel Schröder und ich in der Vorbereitung ausgewählt, weil das Thema „Gerechtigkeit“ eines ist, das viele Jugendliche umtreibt: Klimagerechtigkeit, Verteilungsgerechtigkeit, (Un-)Gerechtigkeit in Schule und Familie. Immer wieder stehen wir im Alltag vor der Feststellung „Gerecht ist anders“.

In unseren thematischen Einheiten haben wir versucht den Blick dafür zu schärfen, inwiefern Gott gerecht handelt. Mit Blick in die Psalmen haben wir entdeckt, dass Gottes Gerechtigkeit dort tatsächlich ganz anders assoziiert wird. In Kleingruppen haben die Jugendlichen für die zweite Freizeithälfte Andachten vorbereitet, die sich mit Aspekten von Gottes „anderer Gerechtigkeit“ auseinandersetzten und sehr eindrücklich waren. Mit den Andachten haben wir das „Anders“ versucht zu füllen: Gerecht ist „Treue“, „Barmherzigkeit“, „Befreiung“, „Pateiisch“.

SELK.de: Warum sind gesamtkirchliche Auslands-Sommerfreizeit nach wie vor wichtige Angebote?

StrandJaira Hoffmann: Auf Freizeit fahren bedeutet vielleicht, zum ersten Mal ohne die Eltern zu verreisen. Vielleicht zum ersten Mal ins Ausland zu fahren. Das sind wichtige Erfahrungen! Stückweises Erlernen von Selbstständigkeit, Auseinandersetzen mit und Zusammenwachsen in der Peergroup – aus pädagogischer Sicht könnte ich noch viele Stärken von Freizeitarbeit aufzählen.

Aber auch religionspädagogisch liegt da ein großer Wert drin: Die Jugendlichen, die in ihren Heimatgemeinden oft eher allein sind, erleben die Geborgenheit einer christlichen Gemeinschaft. Sie erleben in den anderen Jugendlichen und in dem Freizeitteam Vorbilder im Glauben. Es ist Gelegenheit zum Austausch über Lebens- und Glaubensfragen. Überregionale Gemeinschaft bedeutet immer auch ein Zusammenwachsen innerhalb der Kirche über Gemeinde- und Bezirksgrenzen hinweg. Im besten Fall erleben es die Teilnehmenden, getreu dem Motto von freizeitfieber „unterwegs mit Gott“ zu sein und können daraus für ihren Alltag schöpfen.

Viele der Teilnehmenden engagieren sich in ihren Heimatbezirken in der Jugendarbeit und konkret im jeweiligen JugendMitarbeiterGremium (JuMiG). Dieses Jahr haben wir ein Gruppenbild mit allen JuMiG’ler/innen gemacht und haben festgestellt, dass sich knapp ein Drittel der Teilnehmenden in einem JuMiG engagiert. Dazu kommen die vielen, die in ihren Gemeinden bei Kinder-Bibel-Tagen, auf Kinderfreizeiten oder im Kindergottesdienst mithelfen.

Sommerfreizeiten sind Orte, wo etwas für diese aktiven Jugendlichen gestaltet wird, sodass Sommerfreizeiten immer auch „Mitarbeitenden-Pflege“ sind.

SELK.de: Vielen Dank für das Interview – und weiterhin Gottes Segen für Ihre gemeindlich-kirchliche Arbeit.

 

Überraschend in Südafrika


Tobias Schütze (28) war bis Ende Februar dieses Jahres als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Lutherischen Theologischen Hochschule (LThH) der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Oberursel tätig. Eigentlich hätte sein Dienst dort noch länger dauern sollen, aber das südafrikanische Partnerseminar der LThH, das Lutheran Theological Seminary in Pretoria, brauchte ihn dringend als theologischen Lehrer … Und so kam es zu diesem Wechsel. Für selk.de erzählt Tobias Schütze kurzweilig die ganze Geschichte.


Südafrika

Liebe Leserinnen und Leser von SELK.de,

im letzten März bin ich aus dem wunderschönen Hochtaunus ins ganz andere, aber ebenso ‚lekkere‘ Pretoria in Südafrika gezogen, um dort am Partnerseminar der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel (LThH), dem Lutheran Theological Seminary (LTS) zu arbeiten. Hatte ich in Oberursel schon seit anderthalb Jahren als Assistent Bibelkunde und Systematische Theologie unterrichtet, war dieser Schritt vielleicht von außen recht logisch. Allerdings war er doch sehr überraschend. Hatte ich als Missionsstudent schön länger mit einem Wechsel nach Südafrika geliebäugelt (die südafrikanischen Kommilitonen im Studium waren da nicht ganz schuldlos), kam die Anfrage im letzten Januar doch mehr als unerwartet und – vielleicht typisch Kirche oder Mission – in einem äußerst unvorhergesehenen Moment.

SeminarDer eigentlich für den Unterricht, der am LTS immer im Februar startet, vorgesehene Dozent hatte VISA–Probleme (mittlerweile konnte er unsere Fakultät bereichern), sodass schnell Ersatz hersollte. Trotzdem war es, so sieht es zumindest für mich aus, eher eine etwas zufällige Idee, mich zu fragen. Schnell zu kommen war für mich theoretisch kein Problem, habe ich doch die südafrikanische Staatsangehörigkeit, und brauchte somit im Grunde nur noch ein Flugzeug. Überhaupt auf die Idee zu kommen, an das LTS zu wechseln, lag aber wohl eher daran, dass ich bereits im Januar aus Anlass der Hochzeit meines Cousins nach Südafrika gereist war. Dort traf ich auf meinen Onkel Missionar Christoph Weber, der sogleich die Möglichkeit beim Schopf ergriff und mich, während ich gerade beim Abwaschen war, fragte, ob ich nicht einfach ‚in drei Wochen‘ mal kurz nach Südafrika ziehen wolle. Die Wege des Herrn sind unergründlich!

Danach ging alles sehr schnell – und musste sehr schnell gehen. Ich hatte eigentlich noch ein halbes Jahr in Oberursel und musste nun von dort losgelassen werden in die weite Welt. Ich bin sowohl sehr dankbar dafür, dass die Fakultät mir auf der einen Seite keine Steine in den Weg gelegt hat, obwohl es für mich nicht direkt einen neuen Assistenten in den Startlöchern gab und ich noch für Unterricht und andere Arbeiten eingeplant war. Auf der anderes Seite bin ich ihr aber auch dankbar, dass sie mich trotzdem nicht allzu leicht haben gehen lassen und der Gang nach Pretoria somit weder Flucht noch Vertreibung war.

Obwohl das Semester in Pretoria schon im Februar losging, kam ich erst Anfang März. Zum einen ging aber mein Unterrichtssemester in Oberursel noch bis Mitte Februar und zum anderen hatte ich noch drei Stadionbesuche auf meiner To-do-Liste, sodass ich erst dann ‚rübermachen‘ konnte.

Am LTS unterrichte ich nun hauptsächlich Dogmatik und Symbolik bzw. Bekenntniskunde, habe aber in diesem Semester auch die Einleitung in das Neue Testament übernommen, die das Äquivalent zur Bibelkunde in Oberursel darstellt, sodass ich zumindest ein wenig auf Bekanntes und schon einmal Unterrichtetes zugreifen kann. Da ich nebenbei immer noch mit einer Dissertation beschäftigt bin und sowohl die Oberurseler Fakultät als auch die Kirchenleitung der SELK sehr deutlich gemacht haben, dass diese doch gern irgendwann mal fertig werden dürfe (noch bin ich kein Dauerdoktorand, würde ich sagen), bin ich neben dem Unterricht nicht wirklich mit administrativen Aufgaben etc. belastet, sondern kann mich auf den Unterricht und die Doktorarbeit konzentrieren. Ich überlege zurzeit, was ich wohl nach meiner Promotion machen muss, um weiterhin keine Admin-Arbeit machen zu müssen.

Das Seminar selbst ist dem in Oberursel gar nicht unähnlich, wohnen doch die Studenten allesamt auf dem Campus, wenngleich ich der einzige Dozent bin, der dort wohnt. In den drei Jahren des Studiums werden im Großen und Ganzen die gleichen Fächer, die wir auch in Deutschland studieren, studiert, inklusive Hebräisch und Griechisch. Dabei ist zurecht ein Fokus auf die exegetischen Fächer, Altes und Neues Testament gelegt. Gleichwohl könnten aus meiner Sicht noch einige systematisch-theologische Fächer dazukommen (wobei ich dann natürlich mehr unterrichten müsste; also lieber doch nicht).

Das Seminar wird getragen von den beiden südafrikanischen Schwesterkirchen der SELK, der Lutherischen Kirche im Südlichen Afrika und der Freien Evangelisch-Lutherischen Synode in Südafrika, sowie der Lutherischen Kirchenmission (oder im Volksmund: „Bleckmarer Mission“). Die Studenten aber kommen nicht allein aus diesen Kirchen, sondern auch aus unterschiedlichsten afrikanischen Ländern und auch aus verschiedenen lutherischen Kirchen, insbesondere, seit die lutherische ‚Landeskirche‘ in Südafrika ihr eigenes Seminar geschlossen hat. Wir haben also als Seminar die Möglichkeit, unterschiedlichste Studenten für unterschiedliche Kirchen zu unterrichten (und natürlich auch selbst von ihnen zu lernen), ganz nach der ‚Mission‘ des Seminars: „Die LTS ist ein Missionswerk, das sich um die Ausbildung von Multiplikatoren für die Lutherische Kirche in Afrika bemüht.“ Dies wiederum geschieht, wie die ‚Vision‘ des Seminars sagt, durch die „Bereitstellung von qualitativer konfessionell-lutherischer Ausbildung.“ – Zu der ich meinen Beitrag leisten darf.

Persönlich muss ich mal schauen, wie es für mich weitergeht. Wie oben bereits eingebracht passiert in der Mission und Kirche einiges anders, als man es mal geplant hat. Zunächst werde ich aber hier weiterarbeiten und hoffentlich im kommenden April mein Vikariat starten – wo das dann genau sein wird, werden wir sehen. Weiter als das Vikariat mag ich noch gar nicht denken – das ist noch zu lange hin. Hier bin ich schon aufgeregt auf unseren Neubau, sind die Unterrichtsräume doch schon sehr in die Jahrzehnte gekommen. Mal sehen, ob ich den Neubau noch ‚live und vor Ort‘ miterleben werde (ich durfte ja schon in Oberursel die bauliche Revolution mit dem Christiane-Kluge-Haus miterleben).

StadionZunächst freue ich mich erst einmal auf den Sommer in Südafrika (es wird zurzeit doch nachts ganz unafrikanisch kalt), wenngleich ich den ganzen Dezember im kalten Deutschland in Bibliotheken verbringen werde, damit ich auch meine Doktorarbeit in einer angenehmen Zeit vollendet kriege. Trotz meiner Geringschätzung des deutschen Winters (vielleicht der Hauptgrund, warum ich umgezogen bin), gibt es natürlich auch so einiges, worauf ich mich auch in Deutschland schon wieder freue. So ist natürlich bereits eine Fußballtour in die (vorrübergehenden?) Niederungen der Landesliga Niederrhein geplant.

Liebe Grüße und einen gesegneten Restsommer aus Pretoria – genießt die langen Abende, solange es sie in diesem Jahr noch gibt,

Tobias Schütze

Syn-AG-Frauen: Imagefilm


Die 14. Kirchensynode der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) hat auf ihrer konstituierenden Tagung 2019 in Bad Emstal-Balhorn eine synodale Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit Anliegen von Frauen in der SELK (Syn-AG-Frauen) befasst. Dieser Arbeitsgruppe gehören an, im Bild von links: Ursula Koschlitzki (Gemeinde Frankfurt am Main), Superintendent Michael Otto (Essen), Miriam Anwand (Allendorf/Ulm), Anne-Christin Heuer (Göttingen) und – als Vorsitzende – Kirchenrätin Dörte Pape (Tübingen). Nun hat die AG einen Imagefilm veröffentlicht und gibt dazu den Besucherinnen und Besuchern von selk.de im Folgenden Informationen über ihre Arbeit.

Syn-AG-Frauen

Mit einem kurzen Imagefilm gewährt die Synodale Arbeitsgruppe für Anliegen von Frauen in der SELK Einblick in die Arbeit, die sie seit 2020 leistet.

Von der 14. Kirchensynode der SELK erhielt die Arbeitsgruppe den Auftrag, Anliegen von Frauen in der SELK zu sammeln und zu bündeln. Sie ist dafür eingesetzt worden, vor allem die Themen aufzunehmen, die den Dienst und das Engagement von Frauen in der SELK betreffen. Von Pastoralreferentinnen, über Frauen von Pfarrern, über Kirchenvorsteherinnen, Küsterinnen und Kindergottesdienstmitarbeiterinnen bis hin zu vielen, vielen weiteren Frauen, die – in welcher Form auch immer – die SELK mitgestalten: Um all diese Personen geht es. Ihre Lage, ihr Ergehen und ihre Meinungen sollen zu Wort kommen. Auch Männer sind aufgerufen, ihre Sicht auf die Lage von Frauen in der SELK zu schildern.

Syn-AG-LogoDie offene Ausrichtung der Arbeitsgruppe hat einen Zweck: Es gibt nicht nur eine Meinung zu all den Fragen, die rund um die Arbeit von Frauen in unserer Kirche auftreten. Die Einschätzungen sind vielfältig. Diese Vielfalt ist eine Herausforderung, der die Kirchensynode mithilfe der Syn-AG-Frauen versucht gerecht zu werden. Kräfte gezielt und effektiv dort einzusetzen, wo sie gebraucht werden, ist das Ziel.

Sie interessiert, wie die Syn-AG-Frauen arbeitet und welche Personen dahinter stecken? Dann schauen Sie in diesen Film: bitte hier klicken


Kontakt:
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Telefon: 07071-934678
Internet: SELK.de/Frauen

Lesenswert


An dieser Stelle werden auf selk.de regelmäßig Bücher vorgestellt: zum Lesen, zum Verschenken, zum Nachdenken, zum Diskutieren – Buchtipps für anregende Lektürestunden. Die hier veröffentlichten Buchvorstellungen hat Doris Michel-Schmidt verfasst.

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Blaise Pascal


2023 05 Cover SchubertAnlässlich seines 400. Geburtstags in diesem Jahr wird in Artikeln und Büchern an Blaise Pascal, den genialen Physiker, Mathematiker, Philosophen und Gottsucher erinnert. Der Erfinder einer Rechenmaschine, mit dessen Namen wir noch heute die Einheit des Luftdrucks verbinden, war aber nicht nur Naturwissenschaftler, sondern auch ein religiöser Denker, und in beidem ein „Anwalt der Vernunft“.

Georg Gremels, bis zu seinem Ruhestand 2013 Pastor im Evangelisch-lutherischen Missionswerk Hermannsburg, hat leicht einen Zugang zu Pascals Welt und Denken gefunden, hat er doch selbst Chemie und Theologie studiert und erlebt, dass zwischen Natur- und Geisteswissenschaften kein Widerspruch herrschen muss.

Seine Annäherung an Blaise Pascal hat er in einen Briefwechsel mit einem fiktiven Freund gekleidet. Das ist insofern eine hilfreiche Form, als sie erlaubt, Themen kurz zu fassen und gleichzeitig den Briefempfänger, als ersten Leser, nachfragen zu lassen. Die Form ist allerdings zugleich auch die Schwäche des Buches, denn der Briefwechsel wirkt stellenweise etwas hölzern, konstruiert.

Aber trotz dieser Schwäche gelingt es Georg Gremels, Blaise Pascal als Person anschaulich zu machen und ein paar Eckpfeiler seines Werks in aller Kürze darzustellen.

Die Schmerzen und Krankheiten, unter denen Blaise Pascal schon in jungen Jahren litt, die fast symbiotische Beziehung zu seiner jüngeren Schwester Jacqueline, die ins Kloster geht, nachdem Blaise zweimal erfolgreich eine Heirat von ihr verhindert hat, seine eigene Gotteserfahrung – das alles wird in dem Buch einfühlsam erzählt, gut nachvollziehbar und leicht lesbar. So schildert Gremels beispielsweise die Nacht, in der Pascals „Memorial“ entstand: „Seit Jacqueline ihr feierliches Gelübde am 5. Juni 1653 abgelegt hatte, hatten Blaise seine Fluchtversuche vor Gott und sein inneres Ringen um ihn schon über ein knappes Jahr hin -und hegerissen. Wund gerieben hatte er sich am Ewigen! Dünn war die Wand zwischen ihm und Gott, zwischen seiner messerscharfen Rationalität und dem Transzendenten geworden. Da überwältigte ihn Gott in der Nacht des 23. Novembers 1654. Was er in den zwei Stunden zwischen 22.30 und 0.30 Uhr erlebte, hat er unmittelbar danach auf zwei Blättern festgehalten und sie als sein innerstes Geheimnis immer – vor allen verborgen – bei sich getragen.“

Dieses Memorial ließ Pascal in seinen Mantelsaum einnähen, damit er es immer bei sich habe. Die stammelnden Worte und Satzfetzen sind Pascals Zeugnis seiner Überwältigung durch Gott.

Nicht zuletzt aus dieser Erfahrung sind die über neunhundert Fragmente entstanden, die nach seinem Tod unter dem Titel Pensées (deutsch: Gedanken) veröffentlicht wurden. Aus dieser Fülle nimmt Gremels einige heraus, stellt sie exemplarisch vor – und macht damit durchaus Lust, sich weiter mit Blaise Pascal zu beschäftigen.

Georg Gremels
Blaise Pascal. Ein Briefwechsel
Francke Verlag 2023, 175 Seiten, 14,00 Euro




Deutsch. Eine Liebeserklärung

2023 07 Cover Kaehlbrandt 180pxDas Leben sei zu kurz, um Deutsch zu lernen, soll Mark Twain einmal gesagt haben. Roland Kaehlbrandt beweist mit diesem Buch, dass man das ganz anders sehen muss. Anhand von „zehn Vorzügen unserer erstaunlichen Sprache“ zeigt der Sprachwissenschaftler, wie vielseitig, wie ausdrucksstark, ja wie liebenswert unsere Sprache ist.

Und das sind die zehn Vorzüge der deutschen Sprache laut Kaehlbrandt: sie ist einfühlsam und ausdrucksstark, sie ist geschmeidig in der Wortbildung, sie ist gelenkig im Satzbau, sie ist schnell und kurz, wenn es sein muss, sie ist leserfreundlich in der Rechtschreibung, sie ist normiert als Standardsprache, sie ist verfeinert als Literatur- und Bildungssprache, sie ist vielfältig und weitverbreitet, sie ist aufnahmewillig und integrationsfähig und sie ist aus der Mitte der Gesellschaft geschaffen.

Wenn Sie jetzt bei dem einen oder anderen Vorzug gedacht haben: Was, ausgerechnet das Deutsche!? dann sollten Sie Kaehlbrandts Liebeserklärung lesen, Sie werden Ihre Sprache mit anderen Augen anschauen.

Ein kleines Beispiel gefällig? Die Partikel, jene Füllwörter, über die in der Schule eher kritisch geurteilt wurde, lobt Kaehlbrandt: „… als wüsste die deutsche Sprache, dass Barschheit bei uns so häufig ist, hat sie uns gerade eine Vielzahl von freundlichen, kommunikationsfördernden Partikeln an die Hand gegeben“.

Denn es klingt doch viel netter, wenn das Kind gefragt wird: „Wie heißt du denn?“ statt nur „Wie heißt du?“ Oder wenn der Vater den Sohn auffordert „Mach’s halt!“ statt nur „Mach’s!“ Oder die Mutter, besorgt um ihre Tochter, fragt „Wo bleibt sie bloß“ statt nur „Wo bleibt sie?“

Ja, schon da ist man dieser liebenswerten Sprache durchaus zugetan, und folgt dem Autor vergnügt weiter, wenn er belegt, dass das Deutsche auch kurz sein kann, nicht nur ellenlang und verschachtelt. Die sozialen Medien bringen einen neuen „Geschwindigkeitsjargon“ hervor. Kaehlbrandts Beispiele beweisen: das Deutsche kann das ab.

Rechtschreibung und Grammatik versteht man nach der Lektüre nicht mehr (nur) als lästige Gängelei, sondern als Norm, die sich bewährt. Nur so ist es nämlich möglich, dass wir Werke früherer Zeiten, von Luther bis Goethe noch lesen und verstehen können.

Aber gutes Deutsch ist mehr als nur richtiges Deutsch. Literatur, eine Predigt, ein wissenschaftlicher Aufsatz, ein Protokoll – jede Gattung verlangt nach einem angemessenen Stil. Auch hier bietet der Autor zahlreiche anschauliche Beispiele, die das Lesen unterhaltsam machen.

Das Porträt der deutschen Sprache, gezeichnet von einem Liebhaber, der die Porträtierte kennt wie kaum einer, und sie erstaunlich schön erscheinen lässt.

Roland Kaehlbrandt
Deutsch. Eine Liebeserklärung
Piper Verlag 2022, 255 Seiten, 12,00 Euro




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