Treisbacher Abend zur Reformation | 03.02.2016

"Licht und Schatten der Reformation"
SELK: Treisbacher Abend im Horizont des Reformationsgedenkens

Treisbach, 3.2.2016 - selk - Die in einem Pfarrbezirk vereinten Gemeinden Marburg, Treisbach und Warzenbach der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) laden seit Jahren die Bürgerinnen und Bürger der umliegenden Orte zu offenen Abenden ein, bei denen es thematische Impulse und die Möglichkeit des Gesprächs und der Begegnung gibt. In diesem Jahr stand das Thema "Licht und Schatten der Reformation" auf dem Programm.

Superintendent Manfred Holst, Gemeindepfarrer im Pfarrbezirk, führte in die Reformationsgeschichte ein und entwickelte die grundlegenden Veränderungen und Folgen, die sich mit der Reformation eingestellt haben. Licht und Schatten der Reformation seien zu einem großen Teil mit Martin Luther selbst verbunden. Man habe ihn als einen "widersprüchlichen" Menschen charakterisiert, dem zwar Denkmäler gebaut wurden, der jedoch kein "Sockelheiliger" war. Bei aller Widerständigkeit und Unerbittlichkeit, die ihm eigen gewesen sei, habe er mitten im Leben gestanden und sich gegen die damalige politische und religiöse Welt gestellt. Seine innere Freiheit habe er je länger desto mehr im Hören auf das Wort Gottes und in seiner Überzeugung gefunden, dass dieses Wort allein im Konflikt die letzte Instanz haben solle.

Als Licht der Reformation Martin Luthers bezeichnete Holst die Bibelübersetzung in die deutsche Sprache, mit der Luther die Bibel den Menschen "zurückgab". Bibel und Katechismus hätten die deutsche Hochsprache "kanonisiert" und damit zugleich das Denken und Fühlen der Menschen im deutschen Sprachraum "beeinflusst". Luther habe sich als "Schüler der Schrift" verstanden. Die Kraft seiner Übersetzung liege nicht zuletzt darin, dass er davon überzeugt gewesen sei, dass es in seiner Übersetzung auch um ihn selbst, seinen Glauben und seine Anfechtung gehe. Nicht zuletzt sei es seine Überzeugung gewesen, dass die christliche Gemeinde Gottes Wort selbst lesen und verstehen könne und solle.

Weitere Schlaglichter der reformatorischen Theologie seien die vier Exklusivpartikel "sola gratia", "sola fide", "solus christus" und "sola scriptura", in denen die lutherische Erkenntnis und Theologie zusammengefasst sei.

Luther sei ein "Meister" der Unterscheidungen gewesen und habe damit bis heute orientierend für die theologische Arbeit gewirkt. Seine Unterscheidungen von Gesetz und Evangelium, Person und Werk, Glaube und Liebe, Rechtfertigung und Heiligung, Glaube und Werke wirkten bis heute weiter. Sein Verständnis des gerechtfertigten Menschen als eines Menschen, der "zugleich" gerecht und Sünder sei, zeige ehrlich an, dass das neue Leben seit der Taufe und im Glauben nicht ohne Versuchlichkeit und Sünde zu denken sei.

Die Unterscheidung der beiden Regierweisen Gottes im "weltlichen und geistlichen Reich" eröffne zunächst theologisch einen neuen Umgang mit Macht und Gewalt und stehe für eine staatliche Ordnung, in der die Religion nicht mit Gewalt eigene Interessen durchsetzen dürfe.

Neben diesen Hinweisen ging es auch um die Schatten der Reformation und ihrer Folgen.

Luther selbst habe keinen Zugang zu den neuen Erkenntnissen eines heliozentrischen Weltbildes gefunden. Er habe aus mehreren Gründen nicht durchgehalten, dass niemand wegen seines Glaubens bedroht werden solle. Die sogenannten Wiedertäufer hätten in ihm keinen Fürsprecher gefunden. Im Bauernkrieg habe Luther gegen den Impuls gekämpft, aus der Botschaft von der Rechtfertigung und Freiheit eines Christen einen politischen Apell zum Kampf gegen die Fürsten zu machen. Anfänglich habe er bei den Fürsten um Einsicht und Nachsicht gebeten, weil er gewusst habe, wie die Fürsten die Bauern knechten und ausbeuten. Später habe er die Fürsten ermutigt, den Aufstand niederzuschlagen. Die Bauern sollten "wie ein toller Hund totgeschlagen werden". Diese Ausführungen Luthers hätten furchtbare Folgen gehabt. Hexenverbrennungen habe es auch in lutherischen Gebieten gegeben und der Antijudaismus Luthers am Ende seines Lebens sei für heutige Leserinnen und Leser seiner Schriften kaum auszuhalten. Nicht zuletzt habe sich das Abendland gespalten. Ein furchtbarer Krieg habe 30 Jahre in Europa gewütet. Auch wenn man nicht allein der Reformation die "Schuld" an diesen Kriegen geben könne, seien in manchen Teilen des Reiches zwei Drittel der Bevölkerung gestorben. Diese Glaubenskriege hätten die europäische Landkarte nachhaltig verändert.

Die Zuhörerinnen und Zuhörer in Treisbach zeigten sich interessiert in den nachfolgenden Gesprächen. Es wurde deutlich, dass die Reformation in vielfältiger Weise Licht und Schatten geworfen hat. In manchen Gesprächen wurde deutlich, wie vielschichtig die Zeit der Reformation war und wie schnell Martin Luther für eigene Gedanken und Überzeugungen instrumentalisiert werden kann.

Pfarrer Holst schloss den Abend mit dem Hinweis auf weitere Abende zur Reformation in diesem und im nächsten Jahr unter dem Titel: "Reformatorische Themen im Vortrag und in der Musik", mit denen der Marburger Pfarrbezirk auf eine eigene Weise das Reformationsjubiläum 2017 (500 Jahre lutherische Reformation) begehen wird.

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