Dies Academicus


Wir glauben, lehren und bekennen


Am diesjährigen Dies Academicus der Lutherischen Theologischen Hochschule der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) ging es um die Bedeutung der lutherischen Bekenntnisschriften. Das Verhältnis von Heiliger Schrift und Bekenntnis wurde dabei – nicht ganz unerwartet – durchaus unterschiedlich bewertet.


Dies Academicus

Selbst Kritiker einer strikten Bekenntnisbindung würden sich auf die Bekenntnisse berufen, nämlich auf die Unterscheidung des Bekenntnisses als „norma normata“ (normierte Norm) von der Heiligen Schrift als „norma normans“ (normierende Norm), sagte Prof. Dr. Bernd Oberdorfer von der Universität Augsburg einleitend in seinem Referat. Sein Vortrag stand unter dem gleichen Titel wie der sich anschließende von Prof. Dr. Werner Klän von der gastgebenden Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel: „Das Wort Gottes, die Heilige Schrift und das Bekenntnis der lutherischen Kirche – Grundfragen ihres Verhältnisses und ihrer Hermeneutik“. In diesem gleichen Titel drücke sich die Erwartung aus, so Oberdorfer, dass die beiden Vorträge nicht dasselbe sagen würden, gleichzeitig aber, dass sie einander doch etwas zu sagen hätten.

Oberdorfer, als Vertreter der VELKD, fragte nach einer kritischen Überprüfung der Aussagen der Bekenntnisse: „Wie vollzieht sich die von den Bekenntnissen selbst angeordnete Überprüfung der Bekenntnisse an der Heiligen Schrift“? Man könne das Verhältnis von Schrift und Bekenntnis unterschiedlich akzentuieren, sagte Oberdorfer und folgerte seinerseits: „Die Bekenntnisse stehen unter dem Vorbehalt ihrer Schriftgemäßheit. Sie gelten nicht, weil sie gelten. Sie müssen sich vielmehr der offenen Überprüfung im Licht der Schrift stellen.“ Und er wies dabei auch auf den historischen Kontext ihrer Entstehung hin: „Warum sollten wir heute Texten Verbindlichkeit zuschreiben, denen ihre Entstehung unter den kulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen des 16. Jahrhunderts gleichsam ins Angesicht geschrieben ist?“ Im Luthertum stelle sich diese Frage in zugespitzter Form, so Oberdorfer, weil es die Bekenntnisbildung grundsätzlich mit dem Konkordienbuch abgeschlossen habe, „während die reformierte Tradition mit einer prinzipiell unabschließbaren Sequenz neuer Bekenntnisse“ rechne.

Die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen räumten den Grundeinsichten der Bekenntnistexte einen „gewissen hermeneutischen Vertrauensvorschuss“ ein, konstatierte der Professor für systematische Theologie. Das schließe aber nicht aus, sondern gerade ein, dass diese Texte interpretiert werden müssten.

In Bezug auf die Leuenberger Konkordie, erläuterte Oberdorfer die Sichtweise der EKD: „Leuenberg“ formuliere einen Konsens, der es ermögliche, die verbleibenden Differenzen zwischen lutherischer und reformierter Bekenntnistradition als nicht mehr kirchentrennend aufzufassen und auf dieser Basis Kirchengemeinschaft auszusprechen. Leuenberg sei kein Unionsbekenntnis und auch nicht der hermeneutische Schlüssel für die Interpretation der lutherischen Bekenntnisse, so Oberdorfer. Es schließe aber solche Interpretationen der lutherischen Bekenntnisse aus, „die weiterhin einen kontradiktorischen Widerspruch zur reformierten Tradition“ konstatierten.

Dem widersprach Prof. Dr. Werner Klän von der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel in seinem Referat und erläuterte seinerseits kritisch den „systematischen Kunstgriff“ in der Leuenberger Konkordie, die zwischen „Grund“ und „Ausdruck“ des Glaubens unterscheidet. Nur dadurch, so Klän, wurde es möglich, die historischen Bekenntnisse des 16. Jahrhunderts in ihrer heutigen Relevanz, vor allem im Blick auf Lehrverurteilungen, zu relativieren. Indem allein dem „rechtfertigenden Glauben“ grundlegende und zentrale Bedeutung zugemessen und folglich er allein als zur Begründung kirchlicher Gemeinschaft notwendig angesehen wurde, während die lehrhafte Formulierung solchen Glaubens, etwa im Bekenntnis der Kirche, in den Bereich des „Ausdrucks“ gehöre. Vor diesem Hintergrund sei ein Konsens im Glauben, Lehren und Bekennen dann nicht länger Voraussetzung für die Erklärung von Kirchengemeinschaft.

Klän wies außerdem darauf hin, dass die Leuenberger Konkordie in der EKD zweifellos Bekenntnischarakter habe. Dadurch, dass die Aufnahme des Augsburger Bekenntnisses in die Grundordnung der EKD mit der Begründung abgelehnt werde, diese stelle einen „Rückfall hinter die Orientierung an der Leuenberger Konkordie“ dar, werde das Augsburger Bekenntnis, dort wo es lutherische Landeskirchen in ihren Grundordnungen aufführten, faktisch der Leuenberger Konkordie untergeordnet.

Klän führte aus, dass und warum eine Kirchengemeinschaft ohne lehrmäßige Übereinstimmung aus Sicht der SELK für lutherische Kirchen kein denk- und gangbarer Weg ist.

Er betonte auch, die Bekenntnisse der lutherischen Reformation in Gestalt des Konkordienbuches stünden deshalb in Geltung, „weil sie angemessener Ausdruck der in der Heiligen Schrift beurkundeten Wahrheit des Wortes Gottes und darum verbindlich für das sind, was in Lehre und Leben der Kirche gelten soll.“ Und dazu gehöre aus Sicht der SELK auch „die Behauptung eines unauflöslichen Zusammenhangs der Übereinstimmung im Glauben, Lehren und Bekennen mit dem Vollzug gottesdienstlicher, zumal eucharistischer Gemeinschaft.“

„Die Bekenntnisse umschreiben damit zugleich einen Raum, einen Rahmen, in dem kirchlich legitime Verkündigung möglich ist“, so Klän. Bei jeder Predigt, beim kirchlichen Unterricht, in der Ausbildung des kirchlichen Nachwuchses sei der Nachweis der Übereinstimmung mit den bestimmenden Grundlagen gesetzt und darum auch gefordert.

Bei aller unterschiedlicher Bewertung suche die SELK mit anderen Kirchen in gründlicher theologischer Arbeit nach der Überwindung des Trennenden, sagte Werner Klän, der zusammen mit Bernd Oberdorfer das Symposium leitete. Die SELK wisse sich bleibend verpflichtet zu „ökumenischer Verantwortung“. Klän: „Das heißt, sie vertritt ihre Positionen konkordienlutherisch profiliert im Rahmen ökumenischer Zusammenarbeit auf unterschiedlichen Ebenen. Sie verschweigt dabei einerseits nicht die noch vorhandenen kirchentrennenden Unterschiede und überspringt nicht leichtfertig die dadurch gesetzten Grenzen. Die Gestaltung kirchlicher Einheit hat vielmehr dem Maßstab des Evangeliums zu entsprechen, wie es im Konsens kirchlich verbindlicher Lehre zum Ausdruck kommt.“

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